Die Branche ist in Aufruhr: Seit Anfang des Jahres protestieren Landwirte gegen die geplanten Steuererhöhungen beim Agrardiesel. Im Kern geht es jedoch um viel mehr: Die Landwirtschaft fordert faire Erzeugerpreise und die dafür notwendigen politischen Rahmenbedingungen.
Mehr als 400 Teilnehmer in Werlte und in Lingen
Der diesjährige Tag der Landwirtschaft am 6. und 7. Februar machte unter dem Motto „Wir müssen Produktionsland bleiben!“ Mut, die aktuellen Herausforderungen anzunehmen. Die große Resonanz bei beiden Veranstaltungen zeigte einmal mehr, dass die VR Agrarberatung und die Volksbanken im Emsland als Veranstalter mit ihren Themen den Nerv der Zeit treffen.
Große Effizienz landwirtschaftlicher Betriebe
„Landwirtschaft: Deine beste Zeit ist jetzt“ – diese These kann stimmen, braucht aber eine gute Erklärung. Dafür stand Prof. Dr. Karin Schnitker, Professorin für Unternehmensführung an der Hochschule Osnabrück auf dem Podium.
Mit einem kurzen Blick in die landwirtschaftliche Vergangenheit zeigte sie Beispiele für die großen Effizienzsteigerungen, die die Branche schon geschafft hat. An einzelnen Stellen, z. B. den durchschnittlichen Erträgen von Wintergetreide scheint unter den bisherigen Rahmenbedingungen keine Steigerung mehr möglich.
Ohne Landwirtschaft keine Dekarbonisierung
Das ist ihr zufolge aber kein Grund für Resignation. Im Gegenteil, die aktuellen klimapolitischen Maßnahmen spielen der Landwirtschaft in die Hände. Bei der politisch gewollten Transformation der Branchen Agrar-Food, Energie und Mobilität wird die Landwirtschaft ein Schlüsselpartner sein. Die Dekarbonisierung ist zentrales Mittel und Hauptpfeiler der Energiewende und benötigt landwirtschaftliche Flächen. Ohne die Landwirte sind die Klimaziele nicht zu erreichen.
Chancen der Transformation
Die Konkurrenz um Raum und Ressourcen wird zu neuen Bewirtschaftungsformen führen und birgt jede Menge neuer Chancen. Schnitker stellte Strategien und Potentiale vor, die aus dieser Situation erwachsen können. Hier sieht sie ein breites Spektrum von biogenen Rohstoffen über erneuerbare Energien und neue Anbaumethoden hin zu Effizienzsteigerung durch KI-Anwendungen. Anhand von Start-Ups ihrer Studienabsolventen zeigte sie spannende Beispiele für erfolgreiche neue Geschäftsmodelle.
Der Blick von außen
Der Journalist und PR-Profi Dr. Andreas Möller begleitet die Branche schon seit längerer Zeit mit seinem Blick von außen. Mancher wird ihn als Autor des Buches „Zwischen Bullerbü und Tierfabrik: Warum wir einen anderen Blick auf die Landwirtschaft brauchen“ kennen.
Agroindustrie versus Landlust
In seinem Vortrag „Warum Deutschland Produktionsland bleiben muss – Ein Blick von außen“ analysierte Möller das Dilemma, in dem sich die Landwirtschaft heute befindet:
Auf der einen Seite steht die verklärte Sehnsucht der Gesellschaft nach einer kleinbäuerlichen Idylle und Landleben à la „Landlust“. Auf der anderen Seite steht die polarisierende mediale Darstellung einer rücksichtslosen und gewinnmaximierenden „Agroindustrie“. Anspruch und Wirklichkeit im Verbraucherverhalten klaffen im nächsten Schritt ebenso weit auseinander.
Wir müssen Produktionsland bleiben!
Möller kritisiert die Politik dafür, dass sie eine zukunftsfähige Landwirtschaft fordert, dabei aber die wichtigste Rolle der Landwirtschaft, nämlich die Nahrungsmittelproduktion, aus den Augen verliert. Nach den globalen Krisen der letzten Jahre müsse die Nahrungsmittelproduktion wieder stärker in den Fokus rücken.
Wenn Deutschland Produktionsland mit der bisherigen Fertigungstiefe bleiben wolle, müssen die regulatorischen Vorgaben von Pflanzenschutz und Tierhaltung bis hin zur Kreditvergabe so gestaltet sein, dass Produzenten optimistisch in die Zukunft blicken können.
Neues Selbstbewusstsein
Die aktuellen Bauernproteste sieht Möller sehr positiv. Damit sei es gelungen, große Aufmerksamkeit zu erzielen und neue Kontakte zu Entscheidern zu knüpfen. Trotz aller Diskrepanzen sei das Vertrauen der Menschen in die Landwirtschaft größer als die Landwirte selbst glauben. Jetzt sei es wichtig, die Menschen mit den Protesten nicht über Gebühr zu belasten. Statt weiter auf Zuspitzungen zu setzen, solle man daran arbeiten, durch Nutzung der sozialen Medien und eine persönlichere Kommunikation wieder besser „verstanden“ zu werden.
Backgrounder
Tag der Landwirtschaft
Jährlich laden die VR Agrarberatung und die Volks- und Raiffeisenbanken im Emsland zum Tag der Landwirtschaft ein. Dort sprechen hochkarätige Referenten zu den Topthemen der Branche. Wichtiger Teil der Veranstaltung ist auch die „dritte Halbzeit“, der persönliche Austausch der Berufskollegen untereinander.
VR Agrarberatung
Die VR Agrarberatung wurde 1996 in Lingen gegründet. Das Unternehmen beschäftigt 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie einen externen Berater und verfügt über ein Netzwerk aus Steuerberatern, Produktionstechnikern und weiteren Partnern.
Das Team ist nah an der Praxis, bringt Stallgeruch mit und spricht die Sprache der Landwirte ebenso wie die der Finanzwelt. Die VR Agrarberatung bietet landwirtschaftliche Betriebsberatung, fundierte Agrarmarktanalyse, Wertermittlung und Versicherungsgutachten.